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Es ist kein Abschied, sondern nur eine Zugabe
Ein großer deutscher Schauspieler auf der Bühne in seiner Heimatstadt
MAYEN. -schö- „Ich konnte nichts anderes. Also wurde ich Schauspieler“, beginnt Mario Adorf den Rückblick auf sein ereignisreiches Leben.
Und als er eines Tages an der Falckenburg-Schule in München vorbeikam, der Kaderschmiede für viele der großen Schauspieler, da wo auch Fritz Kortner, der geniale Mime und Regisseur arbeitete, da ging er einfach hinein. Um sich zu erkundigen, ob hier auch ein Platz für ihn sein könne. Sie hatten nicht auf ihn gewartet, aber irgendwie konnte er doch bleiben.
Jetzt steht er da oben auf der Bühne. Fast 89, rotes Hemd, blaues Jackett. In Mayen, in Halle 129. Es ist seine Tournee durch Deutschland. Die letzte, aber er nennt sie nicht Abschied, sondern Zugabe. Er erzählt, liest und singt, begleitet von einem Pianisten und Bratschisten.
Dass er in Mayen die Reise beginnt, wo sonst? Es ist seine Heimat, hier verbrachte er mit der Mutter seine Jugend, machte Abitur und erzählt, dass er mit 14 Jahren Anfang 1945 zum Wehrdienst eingezogen wurde. Um das Vaterland zu verteidigen. Am 9. März 1945 rückten amerikanische Panzer die Kelberger Straße in Mayen herunter - und obwohl die Sinnlosigkeit der Verteidigung greifbar war, gab dem kleinen Häuflein der Mayen-Verteidiger ein verrückter Offizier den Befehl, gegen die amerikanische Übermacht auszurücken. „Da bin ich mit zwei Panzerfäusten auf dem Rücken in den Krieg gezogen“, sagt er. Aber sein Freund, der Unteroffizier Franz, der sie führte, zog mit ihnen nicht in Richtung der amerikanischen Panzer, sondern woanders hin, wo sie ihre Waffen in die Büsche warfen. Der Krieg war vorbei. Es gibt für die Jugend von heute, so sagt er, nur eine Lehre aus den Kriegen: „Lasst Euch nicht verführen“.
Er steht und sitzt auf der Bühne. Und einmal kriecht er quer über sie, um zu dokumentieren, wie sie in der Schauspielschule gelehrt haben, wie Schauspieler zu lachen haben. Und dann sagt er, in jedem von uns stecke ein Schauspieler. Man denke an die Fußballer, die nach einem noch so geringen Foul eine faszinierende Kunst der Darstellung fänden. Im Handball habe er das noch nie gesehen, obwohl der Sport ja viel härter sei. Er singt Lieder von Brecht und seinem Wiener Freund Georg Keisler, erzählt von Hans Albers und den vielen Großen, die er traf. Und davon, dass er in seinem ersten Film einen Massenmörder spielen durfte, und wie oft er im Film erschossen, erhängt, ertränkt und erwürgt wurde. Nur einmal sei er im Bett gestorben. Und einmal an diesem Abend sitzt er da, hört den Musikern zu und schaut fast ein wenig selbstverliebt auf sein eigenes Bild, das auf der großen Leinwand zu sehen ist. Angst vor dem Ende habe er nicht, aber Wehmut sei schon dabei. Auch jetzt, wo es noch einmal auf die Bühnen und eine Reise durch Deutschland gehe.
Und als sie ihm am Ende jubelnd danken, da stimmt sein ständiger Begleiter, Peter Seydel, das Lied vom „Mayener Jung“ an, der Nationalhymne der kleinen, liebenswerten Eifelstadt. Und Mario Adorf kommt noch einmal auf die Bühne und singt mit. Er ist daheim, in der Eifel, in seinem Mayen, von dem er sagt, je älter er werde, umso mehr sehne er sich nach seiner kleinen Stadt. Da liegt ein wenig Traurigkeit in seinen Augen. Und noch etwas ist zu sehen: Er ist nicht wirklich älter geworden, der große deutsche Schauspieler.
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