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Landwirtschaft kommt mit „blauem Auge“ davon
Michael Horper, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, berichtet über die Ernte 2018
-von Jacqueline Schlechtriem-
REGION. Im Rahmen der jährlichen Erntepressekonferenz, die in diesem Jahr in der Hessenmühle in Gemünden im Westerwald stattfand, erläuterte der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Michael Horper, die Erntesituation im nördlichen Rheinland-Pfalz. Das Thema erweckt überall großes Interesse, sodass auch einige Politiker der Einladung gefolgt waren, um sich über die aktuelle Situation zu informieren. Anwesend waren außerdem zahlreiche Landwirte aus der ganzen Region, Landfrauen samt Kochbus, um über Lebensmittelverschwendung aufzuklären und natürlich die Gastgeber, die Familie Kreckel samt Team.
„Auch wenn die Umstände momentan vielleicht nicht unbedingt positiv sind, ist es wichtig, dass die Landwirtschaft überall Gesprächsthema ist. Sie ist für uns wichtig – für die Ernährung der Menschen aus aller Welt“, sagt Michael Horper zu Beginn der Veranstaltung. Dieses Interesse soll genutzt werden, um Änderungen herbeizuführen, die für das Bestehen der Landwirtschaft in ganz Deutschland von Nutzen wären. Denn die sich jährlich ändernde Klimaentwicklung bringt für die Bauern oft große Probleme mit sich.
Die Ernte 2018 war von widrigen Witterungsbedingungen geprägt. Die Niederschlagsmengen lagen im gesamten Frühling und Frühsommer unter dem langjährigen Mittel. Lediglich der Mai sorgte in weiten Teilen des Landes dafür, dass es keine Missernte gab. Dennoch, so machte der Präsident deutlich, sei die Niederschlagsverteilung nicht einheitlich gewesen, so dass es Regionen gebe, die unter Wassermangel gelitten hätten. In Jahren mit wenig Niederschlägen sei die Wasserhaltefähigkeit der Böden ausschlaggebend für die Ertrags- und Qualitätsentwicklung.
Im Vergleich zu den nördlichen und östlichen Bundesländern seien die Bauern in Rheinland-Pfalz bisher mit einem „blauen Auge“ davon gekommen.
Erträge und Einbußen
Wenn es aber in den nächsten Tagen nicht regnen würde, seien neben Einbußen im Grünland und Mais auch Mindererträge bei Zuckerrüben oder Kartoffeln zu erwarten. „Der Mais kackt gerade in der ganzen Region ab, aber wir wollen die Flinte mal noch nichts ins Korn werfen“, so Horper.
Die Wintergerste, die überwiegend als Futtergetreide genutzt werde, habe gute Erträge erzielt. Auch die Qualitäten seien insgesamt zufriedenstellend. Die Erzeugerpreise für Wintergerste lägen zur Zeit um 10 % über dem Vorjahresniveau. Anlass zur Freude gebe auch die Braugerste, da der Mairegen für eine gute Vollkornausbildung gesorgt habe. Mit über 55 dt/ha liege der Durchschnittsertrag um ca. 7 dt/ha über dem Vorjahr. Da keine negativen Überraschungen bei den Eiweißgehalten zu erwarten seien, seien die Qualitäten überwiegend zufriedenstellend. Auch die Preise hätten ein Niveau erreicht, das die Landwirte nach all den Jahren niedriger Erzeugerpreise zufriedenstelle.
Der Winterweizen, so Horper, wartet 2018 mit durchschnittlichen Erntemengen 70 dt/ha auf. Die Eiweißgehalte würden voraussichtlich den Qualitätsnormen für Brotweizen entsprechen. Die aktuellen Erzeugerpreise seien ebenfalls zufriedenstellend, erklärte der Präsident.
Das Sorgenkind ist allerdings der Raps. Hier gebe es einen merklichen Ertragsrückgang, der einerseits auf die Witterungsschwankungen und andererseits auf fehlende Pflanzenschutzmittel zurückzuführen sei. Der zu nasse Spätsommer habe die Aussaat negativ beeinflusst, während der frostige Februar und der darauffolgende warme März bei den Rapspflanzen zu Stress geführt hätten. Darüber hinaus hätten der Rapserdfloh und der Rapsglanzkäfer nicht optimal bekämpft werden können, sodass auch wirtschaftliche Schäden durch Schädlinge eingetreten seien. „Viele Pflanzenschutzmittel dürfen in Deutschland nicht verwendet werden – in Nachbarländern hingegen schon. Ich möchte hier die gleichen Chancen haben, um Wettbewerbsgleichheit schaffen“, so Horper.
Ideen und Lösungen
„Die Trockenheit trifft viele landwirtschaftliche Unternehmen hart. Wir fordern daher, den betroffenen Unternehmerfamilien Liquiditätshilfen anzubieten. Ebenso ist eine Senkung der Steuervorauszahlung anzustreben. Für die Zukunft muss endlich eine steuerfreie Rücklage für Katastrophen bzw. höhere Gewalt eingeführt werden. Außerdem würde eine Erhöhung der Bundesmittel für die Beiträge zur Unfallversicherung die Betriebe ebenfalls entlasten. Eine vorzeitige Auszahlung der Betriebsprämien macht hingegen nur Sinn, wenn neben dieser auch die Restzahlung noch vor Jahresende getätigt wird“, lässt der Präsident verlauten.
Er fordert damit die Politik auf, Lösungen zu schaffen und bessere Bedingungen für die Landwirte zu schaffen – finanziell und auch arbeitsrechtlich. „Der Bauernverband fordert 1 Milliarde € für Verluste. Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, hat dies bereits angenommen und über die Thematik wird aktuell in Berlin diskutiert“, teilt Horper mit und führt fort: „Es müssen einfach bessere Möglichkeiten geschaffen werden, damit die Landwirtschaft sich auch selber helfen kann, wenn es mal ein schlechtes Jahr gibt.“ Wie verschiedene Medien aktuell berichten, möchte die Ministerin jedoch erst einmal den Erntebericht abwarten, bevor Entscheidungen getroffen werden.
Unterstützung für die Landwirtschaft
Scharf kritisierte Horper die Aussage der Bündnis 90/Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, die die Landwirtschaft für die Hitzewelle verantwortlich mache. Die Landwirtschaft insgesamt und auch die ökologisch wirtschaftenden Betriebe seien die Leidtragenden der Hitzewelle. Die Landwirtschaft insgesamt kämpfe gegen den Klimawandel und setze sich intensiv für den Umweltschutz ein.
Beispielhaft nannte er die Klimastrategie 2.0 des Deutschen Bauernverbandes, die in diesem Jahr verabschiedet worden sei und die über 200 000 Hektar, die alleine in Rheinland-Pfalz nach besonderen Umweltgesichtspunkten bewirtschaftet würden. Die Kritik Göring-Eckhardts sei populistisch und in Anbetracht der Situation, in der sich viele Betriebe befänden, völlig gefühl- und instinktlos.
Unter den vielen Gästen war auch die Bundestagsabgeordnete der FDP, Carina Konrad, die sich zu den Problemen und Forderungen äußerte: „Dies sind alles berechtigte Sorgen und Forderungen. Vor 150 Jahren wären es bei solch einer Lage Auswanderjahre gewesen. Die Landwirtschaft befindet sich in einer prekären Lage, für die vor allem langfristige Lösungen gefunden werden müssen. Wir müssen die Gelegenheit jetzt nutzen, den Wert der Landwirtschaft nach außen hin zu verdeutlichen.“
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