Koblenzer Schängel

Wählen Sie hier das Datum aus, um sich eine Ausgabe von LokalAnzeiger oder AM WOCHENENDE anzusehen

Das E-Paper-Archiv von LokalAnzeiger und AM WOCHENENDE

Wählen Sie hier die Ausgabe, die Sie gerne lesen möchten und bestimmen Sie den Erscheinungstag. Oder stöbern Sie einfach in der Übersicht. Viel Spaß!

 

„Trainer, wir brauchen den Engländer nicht“

Geboren wurde er in Koblenz-Moselweiß, als Fußballer machte er sich bei TuS Neuendorf seinen Namen, ehe es ihn in die große weite Welt verschlug: Kulttrainer Rudi Gutendorf steht mit 54 Trainerstationen im Guinness-Buch der Weltrekorde. Was er in diesem Zeitraum erlebt hat, lässt er im LokalAnzeiger Revue passieren.

Zur Saison 1977/78 führte Rudi Gutendorfs Weg zum Hamburger SV – verpflichtet vom schillernden Ex-Präsidenten und Generalmanager Peter Krohn. Es wurde ein kurzes Gastspiel, an dessen Ende beide ihren Hut nehmen mussten. Lesen Sie heute den dritten Teil dieser Geschichte.

Ich fliege zurück nach Berlin und trainiere wieder täglich meine Tennis-Borussen. Die Saison ist noch nicht zu Ende. Der HSV kommt weiter und weiter im Europacup. Die Erfolge schweißen die Mannschaft mit Kuno Klötzer zusammen. Die Spieler wissen, dass Krohn den auslaufenden Vertrag mit Kuno nicht verlängern will. Es wird gemunkelt, dass ich der neue Trainer werden soll. Mir scheint, die HSV-Spieler spielen und kämpfen wie verrückt für ihren Trainer. Sie kämpfen gleichzeitig gegen Krohn, den die meisten hassen. Diese natürlich entstandene Supermotivation lässt die Mannschaft weiter siegen. Sensationelle Triumphe feiert der HSV, wie im Rückspiel gegen Atletico Madrid im Europapokal.

Zwangslage für Krohn

Vom Trainerwechsel, der von uns ja schon im geheimen vollzogen war, will keiner mehr reden. Peter Krohn ist plötzlich in eine schlimme Zwangslage geraten. Der HSV-Vorstand nimmt ihm intern seine einsame Entscheidung, mir so früh schon eine verbindliche Zusage gegeben zu haben, übel. Überraschend bietet sich mir die Gelegenheit, Dr. Krohn ein wenig aus der Patsche zu helfen. An einem regnerischen Samstag spiele ich mit meinen Berliner Veilchen in einem der letzten Bundesligaspiele der Saison im Volksparkstadion gegen den HSV. Selbst ich staune, welch ausgefuchsten modernen Fußball meine Jungens mit Jakobs, Berkemeier und Benny Wendt demonstrieren. Über weite Strecken des Kampfes spielen wir die komplette HSV-Mannschaft aus. Sie wird ausgebuht, wirkt wie gelähmt. Wir be- kommen Szenenbeifall während der zweiten Halbzeit vom fairen Hamburger Publikum. Als wir auch noch 15 Minuten vor Schluss durch ein wunderschön herausgespieltes Tor in Führung gehen, sehe ich Dr. Krohn mit wehenden Rockschößen von der Haupttribüne zur Trainerbank eilen. Dort gestikuliert er wie verrückt mit Kuno Klötzer. Danach schaut er strahlend zu mir rüber.

Ich zucke verlegen mit den Achseln. Gleichzeitig fühle ich, wie in mir eine überwältigende Sympathie für ihn aufkommt. Ich nehme mir vor, diesen Mann, der so voll auf mich setzt und mir vertraut, nicht zu enttäuschen.

Beim HSV wird mir die oft erlebte peinliche Tatsache, dass eine Mannschaft beim Trainerwechsel wie auf Kommando ihre alten Trikots in den frischen Wind des neuen Trainers hängt, erspart. Und das gänzlich. Mir und Keegan, den beiden Neuen — Buljan wird vorerst nicht ernst genommen — schlägt die ganze feuchte Kälte einer steifen Brise von der Waterkant vehement um die Ohren.

Keegans erwartungsvoller Guten Morgen-Gruß, die einzigen deutschen Worte, die er beherrscht, wird – wenn er den Umkleideraum

betritt – von seinen neuen Spielkameraden nicht erwidert. Peinliches Schweigen! Kevin kommt verstört zu mir und fragt: „Why don't the guys here like me, damned?“ Wütend über das Verhalten der futterneidischen Spieler dem immer freundlichen Keegan gegenüber, mache ich meinen ersten Fehler. Als Keegan im Massageraum nebenan ist, nehme ich mir die Spieler vor. Nachdem ich mich in Rage geredet habe, sagt mir Nogly, der Mannschaftsführer, der nur einen Meter entfernt von mir steht: „Trainer, damit Sie es wissen, wir brauchen den Engländer nicht: Wir haben ohne ihn vor sechs Wochen den Europa-Cup geholt. Wir sind nur darauf gespannt, wen Sie und Ihr Krohn, der ja jetzt die Mannschaft aufstellt, von der Endspielmannschaft rausschmeißen, um für den Engländer Platz zu machen.“

Bei dieser Äußerung schaut der Spielführer mich nicht an. Er hat einen Fuß auf die Bank gestellt und schnürt seinen Fußballschuh schon zum wiederholten Male auf und zu. Er streckt mir, seinem neuen Trainer, demonstrativ seinen Hintern ins Gesicht. Mir kommt es vor, als stünde ich schon jetzt auf einer Falltür.

Ich schreie ihn an: „Diese Flegelei vergesse ich Ihnen nicht.“ Verdammt noch mal, ich habe wirklich von niemandem besondere Freundlichkeit oder ein anbetendes Lächeln erwartet, aber das ist ein zu starkes Stück. Beim Rausgehen hab ich das Gefühl, dass die Spieler sich schon nach meinem ersten Tag beim HSV zusammenrotten, um mich kaputtzumachen.

Der erste Krach mit Peter Krohn

Drei Tage vor Beginn der Saison — mein erster Krach mit Dr. Krohn. Wir tragen das Ablösespiel für Keegan gegen Liverpool aus. In der Bild-Zeitung hat die Nachricht gestanden, die Spieler des HSV hätten pro Kopf 30 000 Mark für den Gewinn der deutschen Meisterschaft verlangt. Dr. Krohn erscheint zwei Stunden vor Spielbeginn zur Mannschaftssitzung. Er drängt mich von der Magnet-Tafel, an der ich gerade taktische Spielzüge erläutere und beschimpft die Spieler. Ich versuche, ihn zu unterbrechen. „Wenn dir das nicht passt, kannst du gehen“, brüllt er außer sich vor Wut. Jetzt kommt der machthungrige Glory-Hunter mit Spikes an den Ellenbogen, der seinen Weg marschiert, zum Vorschein. Das habe ich nicht erwartet. Durch diesen Auftritt vor meinen Spielern, hat er mir schon ganz am Anfang das Genick angebrochen. Will er das? Die Spieler schmunzeln.

Dr. Krohn wirft mir in den kommenden Wochen Rettungsseile zu, aber ich sehe die Schlingen am Ende. Natürlich unsicher geworden, da ich jetzt schon im Sandwich zwischen Spielern und Manager hänge, komme ich mir vor, als würde ich flattrige Flugversuche an einer zu kurzen Schnur vollführen, und Krohn beobachtet meine Anstrengungen mit Argusaugen.

Im Duell mit Dr. Krohn fühle ich mich wie einst der unvergessene Kohlmeyer im Länderspiel in London gegen Stan Matthews, der stets die linke Seite antäuschte, „Kohli“ damit verarschte und dann rechts vorbeizog. Ich weiß nicht, welche Seite mein Partner sich aussucht oder ob er nur täuscht.

Die Fortsetzung lesen Sie in der nächsten Ausgabe.

Koblenzer Schängel vom Mittwoch, 27. Dezember 2017, Seite 6 (427 Views)

ZURÜCK ZUR SEITE

 

<   Dezember   >
Mo Di Mi Do Fr Sa So
        1 2 3
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31